Flandern, Belgiens nördlicher Landesteil, ist berühmt für die Kultstädte Gent, Brügge und Antwerpen, die mit prächtigen Rathäusern, imposanten Glockentürmen, beschaulichen Beginenhöfen, lebhaften Marktplätzen und Museen voller Meisterwerke aufwarten.

Gent

Stolze Stadt, Manhattan des Mittelalters, Blumenstadt, Flanderns Geheimnis – das alles sind Bezeichnungen für Gent. Im Mittelalter war Gent eine echte Metropole – nördlich der Alpen war damals nur Paris größer, London oder Köln waren kleiner. Deshalb ist es kein Wunder, dass es fast 10 000 kulturhistorisch wertvolle Gebäude in der Stadt gibt.

Ein Besuch in der St.-Bavo-Kathedrale ist ein Muss. Kunstliebhaber kommen beim Anblick der vielen Kunstschätze aus dem Staunen nicht mehr heraus, gibt es doch allein 22 Altäre aus Marmor und Eiche zu bestaunen. Der barocke Hochaltar aus schwarz-weißem und rot-geflammten Marmor, die Rokokokanzel aus Eiche, ein Meisterwerk von Peter Paul Rubens, das Kreuzigungstriptychon von Justus van Gent, der gotische Kronleuchter, die Prunkgräber der Genter Bischöfe und natürlich der weltberühmte Genter Altar sind nur einige der Schätze der Kirche. Der 1432 enthüllte Altar – mit vollem Titel „Die Anbetung des Lamm Gottes” – der Gebrüder van Eyck gilt weltweit als künstlerischer Höhepunkt, als eins der einflussreichsten Gemälde aller Zeiten. auf Eichentafeln gemalt, die mit dünnen Schichten aus einer Kreide-Leim-Mischung bedeckt waren. Die Figuren wurden in mehreren Schichten Ölfarbe aufgetragen. Die Kombination der Miniaturarbeit mit der lichtdurchlässigen Farbe schafft eine zusätzliche Dimension. Van Eyck überragte seine Zeitgenossen und entfesselte mit seiner Kunst eine optische Revolution. Mit seiner unvergleichlichen Technik und Beobachtungsgabe schuf er in der Ölmalerei eine bis dahin unbekannte neue Qualität und war er richtungsweisend für die Malerei.
Noch bis Ende April 2020 präsentiert das Museum der Schönen Künste Gent (MSK) die größte Jan-van-Eyck-Ausstellung aller Zeiten. Weltweit sind nur etwa zwanzig Werke des flämischen Meisters erhalten geblieben, und gut die Hälfte von ihnen wird in dieser Ausstellung zu sehen sein. Am 8. Oktober 2020 wird in der St.-Bavo-Kathedrale ein komplett neues Besucherzentrum eröffnet, in dem die restaurierten Tafeln des Genter Altars und weitere authentische Kunstschätze in ihrer ganzen Pracht bewundert werden können.

Nur ein paar Schritte entfernt bezaubern der Korenlei- und der Graslei-Quai die Besucher Gents. Wunderschönen Giebelhäuser spiegeln sich hier in der Leie. An beiden Flussufern gibt es schöne kopfsteingepflasterte Plätze mit Straßencafés, unterhalb der Grasbrug starten die Schiffe für eine Rundfahrt.

Warum Gent auch den Beinamen „Blumenstadt” führt, zeigt sich insbesondere sonntags rund um den Kouter, wenn hier der Blumenmarkt stattfindet. Nach einem Bummel durch das bunte Blumenmeer kann man am traditionsreichen „Blauwe Kiosk” frische Austern und Champagner genießen.

Brügge

Brügge fiel Ende des 15. Jahrhunderts nach der Versandung des Meeresarms Zwin in einen rund vierhundert Jahre dauernden Dornröschenschlaf. Ende des 19. Jahrhunderts – das einst so glanzvolle Handelszentrum war völlig verarmt, die Hälfte der Bevölkerung lebte von Almosen, mehr als 10.000 Frauen klöppelten Spitze für Hungerlöhne – geschah ein kleines, in der Weltgeschichte wohl einmalig Wunder. 1892 erschien die Novelle „Bruges-la-morte” (das tote Brügge) von Georges Rodenbach und verursachte einen Ansturm auf die vermeintlich „tote” Stadt. Seitdem wird Brügge jeden Tag von Touristen wachgeküßt – gut acht Millionen sind es aktuell pro Jahr.

Das heute rund 120.000 Einwohner zählende Brügge ist ein herausragendes Beispiel einer mittelalterlichen Stadt, die ihre historische Struktur bewahren konnte. Spaziert man heute durch die beschauliche, von Wallanlagen umgebene Hauptstadt Westflanderns mit ihren schmalen Gassen und Reien, kann man sich kaum vorstellen, dass Brügge unter der Herrschaft der Herzöge von Burgund eine der wirtschaftlich und kulturell reichsten Städte im damaligen Europa war. Ihren Wohlstand erlangte die Hansestadt im 14. Jahrhundert durch internationalen Handel und die Herstellung hochwertigen flämischen Tuchs. In den Lagerhäusern des Binnenhafens am Meeresarms Zwin stapelten sich kostbare Stoffballen, Pelze und Säcke mit teuren Gewürzen, berühmte Künstler kamen und blieben, Bankiers wie die Medicis aus Florenz fuhren in vergoldeten Kutschen über den Großen Markt. Im Haus der Kaufmannsfamilie Van der Beurse trafen in- und ausländische Kaufleute regelmäßig zusammen und tätigten Handels- und Wechselgeschäfte. Vom Familiennamen der Kaufleute wurde das niederländische Wort beurs als Bezeichnung für derartige Handelsplätze abgeleitet und entsprechend in andere europäische Sprachen übernommen.

„Brügge ist ein goldenes Geschmeide, darin die Liebfrauenkirche als kostbarster Edelstein strahlt”, schrieb der in Seligenstadt geborene flämische Maler Hans Memling, der im 15. Jahrhundert in Brügge lebte und arbeitete. Herausragendes Ausstattungsstück der gotischen Backsteinkirche ist die Brügger Madonna von Michelangelo aus dem Jahre 1503, eine der frühen Plastiken des italienischen Bildhauers. Rund um die Liebfrauenkirche liegen die anderen bedeutenden Museen der Stadt. Etliche Meisterwerke von Hans Memling hängen in einem ehemaligen Krankensaal des im 12. Jahrhundert erbauten Sankt-Jans-Hospitals. Im benachbarten Groeningemuseum, wo heute weltberühmte Gemälde von Hieronymus Bosch, Jan van Eyck, Pieter Bruegel d. J. („Höllenbruegel”) und Rogier van der Weyden gezeigt werden, lebten einst Nonnen in klösterlicher Ruhe.

Antwerpen

In Antwerpen, Belgiens größter Stadt, erwarten Sie prachtvolle Plätze und historische Gassen, quirlige Einkaufsstraßen und fünf beeindruckende Kirchen aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Die Liebfrauenkathedrale war bei ihrer Fertigstellung im Jahre 1521 die größte gotische Kirche der (früheren) Niederlande und beherbergt u.a. vier Gemälde von Peter Paul Rubens, der von 1587 bis zu seinem Tod 1640 in der Stadt an der Schelde lebte. Unweit der lebhaften Einkaufsstraße „Meir”, wo sich ein Blick in den prachtvoll renovierten Stadtfestsaal lohnt, der nun das Entrée eines Shoppingcenters bildet, liegt das „Rubenshuis”. Das ehemalige Wohnhaus und Atelier des großen Barockmalers ist das meistbesuchte Museum der flämischen Metropole.

Rund um den „Eisenbahnkathedrale” genannten Bahnhof Antwerpens schlägt das Herz des globalen Diamanthandels. Bis zu 80 Prozent aller Rohdiamanten passieren die Antwerpener „Beurs voor Diamanthandel”, den wichtigsten Diamantenhandelsplatz der Welt. Die Jahresumsätze in der buchstäblich steinreichen Hovenierstraat sollen bei mehr als 50 Milliarden Euro liegen.

Ein wahrlich brillantes Museum ist das 2018 eröffnete DIVA. Das Erlebniszentrum der Diamantenhauptstadt Antwerpen ist eine Ode an die Handwerkskunst und nimmt seine Besucher mit auf eine Reise durch die Geschichte der funkelnden Diamanten.

Der Hafen von Antwerpen, zu dem auch die größte Schleusenanlage der Welt zählt, ist gemessen am Ladungsaufkommen nach Hamburg und Rotterdam der drittgrößte Hafen Europas, für Stückgut sogar der bedeutendste. Zwischen diesem Welthafen an der Trichtermündung der Schelde und dem historischen Stadtkern finden die traditionsreichen Hafenviertel zunehmend neue Nutzungen. Vom kostenfrei zugänglichen Dach des architektonisch auffälligen 62 m hohen MAS (Museum aan de Strom) bietet sich ein herrlicher Rundblick auf die Flandern-Metropole. Die neueste architektonische Perle Antwerpen ist der Hauptsitz der Hafengesellschaft Antwerpen. Der untere Teil war früher eine Feuerwehrkaserne, die sich am äußersten Ende der Stadt befand. Bei der Renovierung erhielt die wunderschöne Kaserne, die heute Beginn des ausgedehnten Hafengebiets markiert, einen auffälligen und modernen Überbau in Form eines Diamanten – ein monumentaler Entwurf des namhaften Architekturbüros Zaha Hadid Architects.