Prachtvolles Prag im Winter

Hunderttürmig, magisch, golden – die Liste der bewundernden Attribute, mit denen Prag beschrieben wird, ist lang. Mit ihren Gotik-, Barock- und Jugendstilfassaden ist die tschechische Hauptstadt ein Museum unter freiem Himmel und – insbesondere in der Nebensaison abseits der Touristenströme – besonders besuchenswert.

Leer und ausgestorben ist Prag nie, aber die zauberhafte Stadt lässt sich im Winter intensiver erkunden. Bei kühlen Temperaturen locken außerdem unzählige Kirchen und Museen, aber auch gemütliche Kneipen und pompöse Kaffeehäuser. Immer wieder gibt es herrliche Ausblicke übers weiß bepuderte Dächergewirr der Stadt. Und nach einer ausgedehnten Erkundungstour durch das winterliche Prag läßt sich die Böhmische Küche und das traditionsreiche Bier noch besser genießen.

Der 866ha große historische Kern der tschechischen Hauptstadt steht seit 1992 als Weltkulturerbe unter dem Schutz der Unesco und umfasst das einmalige städtebauliche Ensemble aus Prager Burg, der Kleinseite mit der Karlsbrücke, der Alt- und Josefstadt mit dem erhaltenen Teil des ehemaligen Judenviertels, die Neustadt und die Keimzelle Prags, den Vyšehrad.
Der Grundstein für die berühmte Karlsbrücke (Karluv most), die über sechszehn Bögen die Kleinseite mit der Altstadt verbindet, wurde 1357 vom römisch-deutschen Kaiser und böhmischen König Karl IV. gelegt, der 1348 auch die älteste Universität nördlich der Alpen in Prag gründete. Die aus Sandsteinquadern erbaute und auf beiden Seiten mit Türmen befestigte Moldaubrücke zählt heute zu den ältesten steinernen Brücken Europas. Wer das berühmte Bauwerk, über das auch der Krönungsweg der böhmischen Könige führte, in Ruhe genießen möchte, sollte sich frühmorgens auf den Weg machen. Nur im Advent können Prag-Besucher täglich kurz nach 16.00 Uhr auf der Karlsbrücke einen Lampenwärter bei der Arbeit treffen. Der Herr mit Zylinder geht vom Altstädter Brückenturm zur Kleinseite von Laterne zu Laterne und zündet mit einem brennenden Docht an einem langen Stab die historische Gas-Straßenbeleuchtung der Karlsbrücke an.

Die Silhouette der böhmischen Metropole wird bestimmt von der monumentalen Burganlage auf dem Hradschin, die viele Jahrhunderte Herrschersitz war und heute der Amtssitz des tschechischen Präsidenten ist. Deshalb kann man am Matthiastor – dem Zugang vom Hradschinplatz – täglich zur vollen Stunde eine Wachablösung erleben, die um 12.00 Uhr besonders pompös ausfällt. Zur lt. Guinessbuch der Rekorde größten geschlossenen Burganlage der Welt gehört auch das größte Kirchengebäude Tschechiens, der gotische Veitsdom. Wer die Mühen des Aufstiegs nicht scheut, genießt vom 99 m hohen Turm einen einzigartigen Rundblick über das hunderttürmige Prag. Bei einem Rundgang durch das 124 m lange Kirchenschiff, das die Grabgelege der böhmischen Kaiser und Könige, die böhmischen Kronjuwelen und das Hochgrab des Heiligen Johannes von Nepomuk beherbergt, verdienen die berühmte, mit gotischen Fresken geschmückte Wenzelskapelle und das prächtige Glasfenster des Jugendstilkünstlers Alfons Mucha besondere Aufmerksamkeit.
Ein lohnenswerter Abstecher, den man auch zum Aufwärmen an kalten Tagen nutzen kann, führt in die beeindruckende Tschechische Nationalbibliothek im Kloster Strahov unweit der Prager Burg. 1722 erbaut, beherbergt sie über 20.000 Bände theologischer und medizinischer Literatur. Nicht nur die Bücher, auch die Fresken sind umwerfend. Ein Blick in die Klosterkirche lohnt sich, ebenso wie die Aussicht von der Terrasse hinter der Kirche auf die Stadt.

Der beliebteste und größte Weihnachtsmarkt Prags ist der auf dem Altstädter Markt. Traditionell wird am Vorabend des 1. Advents die Beleuchtung des großen Weihnachtsbaums neben dem Jan-Hus-Denkmal feierlich „entzündet“. Dann tauchen unzähligen Lichter den von historischen Gebäuden und der Teynkirche eingerahmten Platz in ein stimmungsvolles Licht. Am Altstädter Ring, genauer gesagt an der Südmauer des Altstädter Rathauses befindet sich auch die berühmte Astronomische Uhr aus dem Jahre 1410. Sie ist ein Meisterwerk gotischer Wissenschaft und Technik und besteht aus drei Hauptbestandteilen: dem astronomischen Zifferblatt, das die Position von Sonne und Mond sowie die Tierkreiszeichen darstellt; dem „Weg der Apostel“, einem Uhrwerk mit Figuren der 12 Apostel, die stündlich erscheinen, und einem Kalendariumswerk mit Monats- und Tagesanzeige.

In der Vorweihnachtszeit und an den Festtagen bietet die Goldene Stadt eine besonders große Portion festlicher Stimmung. Die meisten Weihnachtsmärkte sind bis zum Dreikönigstag am 6. Januar geöffnet, viele Kirchen und historische Konzertsäle bieten ein vielfältiges Programm.
In den Tagen vor dem Weihnachtsfest rufen Bottiche voller Karpfen bei Touristen oft Verwunderung hervor. Weil Karpfen – mit Kartoffelsalat serviert – das traditionelle Weihnachtsgericht in Tschechien sind, wird der Fisch aus der Teichregion um Trebon direkt in den Zentren der tschechischen Städte verkauft. Übrigens finden selbst die Fischschuppen Verwendung. Gemäss eines alten Brauchs werden eine oder zwei Schuppen in der Hoffnung ins Portemonnaie gelegt, dass das ganze Jahr das Geld nicht ausgeht.